Kurioses am Fenster I

Das mit dem Glas

oder

tap shoes on fire — Als ein Stepschuh Feuer fing

Die­se Geschich­te ist mitt­ler­wei­le so lan­ge her, dass man sie erzäh­len kann. Es geht um das Glas, das vor eini­gen Jah­ren lan­ge Zeit auf dem Außen­sims eines Fens­ters stand und man­chen wun­der­te. Und in Ver­bin­dung damit um den aus­la­den­den Fleck, der zu der Zeit den Boden des Schlöss­chens schmückte.

Vor eini­gen Jah­ren stand ein äußerst reiz­vol­ler Auf­tritt an: Es soll­te eine abend­li­che Feu­er­show in einem alten Braue­rei­hof geben. Als Auf­takt hier­zu soll­ten die Fun Tap­pers eine Step­tanz­num­mer dar­bie­ten, die auf das Kom­men­de ein­stim­men soll­te. Es waren Pfingst­fe­ri­en. Man erdach­te sich zu viert eine äußerst pro­gres­si­ve Num­mer in aben­teu­er­lich-schmuck­vol­len schwar­zen Kos­tü­men, u.a. mit Step-Ein­hei­ten lie­gend, räkelnd und wäl­zend am Boden, und hat­te mäch­tig Spaß dabei. Im Eifer des Gefechts über­ka­men die Tän­zer immer unkon­ven­tio­nel­le­re Ideen. Man beschloss, Fackeln in den Tanz zu inte­grie­ren. Ein befreun­de­ter Feu­er­schlu­cker mit alter­na­ti­vem Hin­ter­grund weih­te eine Tän­ze­rin in das kos­ten­güns­ti­ge Anfer­ti­gen von Fackeln ein sowie in die Grund­la­gen des gemei­nen Feu­er­schlu­ckens. Zwei der Tän­zer inte­grier­ten dar­auf­hin begeis­tert auch die­ses Ele­ment in die Num­mer, wäh­rend die andern bei­den dra­ma­tisch ihre Fackeln her­um­schwin­gen woll­ten bzw. sollten.

Es begab sich, dass den Ver­ein zu die­ser Zeit ein Paar unge­wöhn­lich rie­si­ge Stepschu­he in deso­la­tem Zustand erreich­ten — was es nicht beson­ders wahr­schein­lich mach­te, dass die­se Schu­he jemals wie­der ihrem ursprüng­li­chen Zweck gemäß benutzt wer­den wür­den. Als man sich in hei­te­rer Stim­mung wei­te­re Gestal­tungs­ele­men­te für die Num­mer ersponn und auf die gran­dio­se Idee kam, am vor­de­ren Büh­nen­rand einen Stepschuh ent­flam­men zu las­sen, wuss­te man schnell, wel­che Schu­he sich für die­sen Zweck beson­ders eig­nen würden.

Damit nahm das Unheil sei­nen Lauf.

Man orga­ni­sier­te einen dau­men­di­cken Docht, sam­mel­te Wachs, schmolz es zusam­men, füll­te den Schuh damit und steck­te den Docht hin­ein. Man glaubt ja nicht, wie viel Wachs in so einen Schuh passt.

In der dar­auf­fol­gen­den Trai­nings­stun­de stand der Pra­xis­test an. Man plat­zier­te das Werk in der Mit­te der Tanz­flä­che und ent­zün­de­te es. Der Docht brann­te vor­züg­lich, alles sah hoch­dra­ma­tisch aus, man war begeis­tert und ließ den Schuh wäh­rend des Trai­nings bren­nen. Als alle einen Moment lang gesel­lig bei­sam­men saßen, waber­te auf ein­mal Rauch um die Tän­zer, der immer dich­ter wur­de. Dazu kam ein neu­ar­ti­ger Geruch, den man bis­her noch nie ver­nom­men hatte.

Kei­ner der Anwe­sen­den wird die­sen Geruch jemals wie­der vergessen.

Es war der Geruch bren­nen­den und schmo­ren­den Leders.

Der Schuh brann­te-! Die Flam­me hat­te auf das Leder über­ge­grif­fen, und nun qualm­te das Kunst­werk kräf­tig vor sich hin und nebel­te den Raum zuse­hends ein. Auf­ge­regt ver­such­te man, die Flam­me zu löschen, was auch rasch gelang. U.a. kam dabei ein grö­ße­res Glas zum Ein­satz. Man riss alle Fens­ter auf und ret­te­te den noch immer qual­men­den Schuh zusam­men mit dem rußi­gen Glas kur­zer­hand auf eins der Außen­sim­se. Man bemerk­te nur lei­der zu spät, dass wäh­rend des Löschens das mitt­ler­wei­le weit­ge­hend geschmol­ze­ne Wachs in dem Schuh eine sehr behut­sa­me Hand­ha­bung des­sel­ben erfor­dert hät­te. Eine sol­che hat­te — aus Prio­ri­täts­grün­den — selbst­ver­ständ­lich nicht stattgefunden.

Das Resul­tat? Ein halb­ver­brann­ter Stepschuh und ein rußi­ges Glas auf dem Außensims.

Und: Ein respek­ta­bler Wachs­fleck — mit­ten auf der Tanz­flä­che eines viel­ge­nutz­ten Steptanzsaales.

Ver­zweif­lung. Alle vor Ort ver­füg­ba­ren Mit­tel kamen zum Ein­satz: Spül­mit­tel, WC-Rei­ni­ger, Scheu­er­milch, Zucker­was­ser (die­ses brach­te kurz­fris­tig die bes­ten Ergeb­nis­se), Spi­ri­tus, White­board­rei­ni­ger, Nagel­lack­ent­fer­ner. Nichts half. Im Gegen­teil: Jede Bemü­hung, dem Fleck Herr zu wer­den, ver­grö­ßer­te den­sel­ben noch mehr. Mitt­ler­wei­le dürf­te er unge­fähr einen Qua­drat­me­ter gemes­sen haben.

Mit viel Scheu­er­milch und Zucker­was­ser bekam man die Situa­ti­on soweit in den Griff, dass der Boden wie­der vor­sich­tig bestepp­bar war. Den Auf­tritt selbst brach­te man gut über die Büh­ne. Sogar der bren­nen­de Schuh wur­de — neu prä­pa­riert — wie geplant ein­be­zo­gen. Nur das Glas wur­de auf dem Sims vergessen.

Was aber mit dem Fleck? Der fiel nach den Feri­en etli­chen Tän­zern unan­ge­nehm auf. Eben­so führ­te das rußi­ge Glas am Fens­ter zu Fra­gen. Die Ver­ant­wort­li­che für die Idee hielt brav den Kopf hin, schwieg sich jedoch über den genau­en Her­gang der Sache beharr­lich aus.

Lan­ge Zeit beglei­te­te der Fleck die Trai­nings­stun­den der Fun Tap­pers. Er war unbarm­her­zig. Er jag­te man­chem einen Schreck in die Glie­der, lehr­te aber auch, wie man sich auf glat­ten Böden bewe­gen kann.

Zwi­schen­durch erfuhr er immer wie­der eine Zucker­was­ser-Scheu­er­milch-Behand­lung und wur­de ein­mal heiß überbügelt.

Nach und nach wur­de er immer weni­ger sicht­bar durch den zuneh­men­den Abrieb­staub der Eisen, stumpf­te ein wenig ab und irgend­wann ent­zerr­te sich das The­ma und man arran­gier­te sich. Das Glas auf dem Sims wur­de mitt­ler­wei­le nicht mehr hinterfragt.

Irgend­wann gab es eine Voll­be­hand­lung des Bodens: Rei­ni­gung, Abschlei­fung, Neu­be­hand­lung des Unter­grunds. In die­sem Zuge konn­te der Wachs­fleck fast voll­stän­dig ent­fernt werden.

Eines Tages ver­schwand auch das Glas vom Sims. War­um es dort so erstaun­lich lan­ge aus­ge­hal­ten hat­te, ist heu­te nicht mehr nachvollziehbar.